Donnerstag, 19. April 2012

Vergleich: "Vor dem Tor" mit "Nacht"

In der vorausgegangenen Szene „Nacht“ wird die Verzweiflung Fausts bezüglich seiner wissenschaftlichen Kenntnisse deutlich. Er ist am Hadern mit sich selbst und unzufrieden mit seiner derzeitigen Lage (“Und sehe, dass wir nichts wissen können!” (V. 364). Trotzdem sieht sich Faust als intelligenter als viele andere Menschen, wie beispielsweise gegenüber seines Schülers Wagner (V. 608-609, „Doch ach! Für diesmal dank ich dir, dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.“). In der Szene „Vor dem Tor“ wird Fausts Anerkennung innerhalb der Gesellschaft aufgrund seiner Bildung deutlich. Faust und Wagner begeben sich auf einen Osterspaziergang auf dem Land, wo viele andere Menschen der Gesellschaft wie beispielsweise Bettler, Dienstmädchen, Handwerksburschen, Schüler, Bürger, Soldaten oder Alte sich versammelt haben. Diese lassen ihre Bewunderung über Fausts Tätigkeiten als Doktor deutlich werden, doch Faust ist dies insgeheim eher unangenehm, denn er meint, dass das Handeln von ihm und seines Vaters eher unehrenhaft sei. Sie hätten die Kranken vergiftet und ihnen nicht geholfen (V. 1031-1033, „O könntest du in meinem Innern lesen, wie wenig Vater und Sohn solch einen Ruhmes wert gewesen.“) In beiden Szenen wird deutlich, wie unzufrieden Faust mit seiner jetzigen Situation ist, sodass er sogar mit dem Gedanken an einen Suizid spielt (V. 1112-1113, „Zwei Seelen wohnen, ach! In meiner Brust, die eine will sich von der anderen trennen“). Ein wesentlicher Unterschied ist die allgemeine Stimmung der Szenen. In der Szene „Nacht“ wirkt Faust sehr nachdenklich und depressiv, durch seine langen und ausschweifenden Monologe wird die Stimmung stark gedrückt. Dadurch, dass in „Vor dem Tor“ keine Monologe mehr vorhanden sind, verliert Faust seine vorhandene Depressivität zwar nicht vollkommen, jedoch kommt diese nicht mehr so stark zur Geltung wie in der vorherigen Szene. Die Szene „Vor dem Tor“ wirkt ebenfalls fröhlicher und munterer durch die ausgelassene Stimmung der Bürger, welche tanzen und sich unterhalten. Faust sieht hier ebenfalls zum ersten Mal Zufriedenheit, jedoch nicht bei sich selbst, sondern lediglich bei den anderen Menschen (V. 939-940, „Zufrieden jauchzet Groß und Klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich´s sein.“). Ein weiteres auffälliges Merkmal ist die Wortwahl beider Szenen. „Vor dem Tor“ ist zu einem großen Teil in einer sehr einfachen Art geschrieben, was auf die Ungebildetheit der normalen Bürger zurückführt. In „Nacht“ werden außerdem wesentlich mehr Reime verwendet, wodurch der Leser sich meiner Meinung nach noch stärker konzentrieren muss, um den Inhalt zu verstehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen